Durch einen Spaziergang mit meiner Schwägerin, einer erfahrenen und modischen Mutter, bin ich über Boshi-Mützen „gestolpert“ und fand die Story spannend. Zwei junge Männer gründen mit Ihrer zwar nicht neuen, aber dennoch ungewöhnlichen Idee ein Unternehmen und entwickeln einen Trend. Ein Beginn ohne Profi-Businessplan und riesiger Gewinnerzielungsabsicht, aber mit Herzblut und Freude. Und plötzlich ist Häkeln cool – sogar für junge Männer!
Kann ich da auch als schon etwas älterer Mann noch etwas lernen? Mit dieser Frage ging es in den Selbstversuch: Wie geht das mit Häkeln, wenn ich über 50 bin, und mich damit noch nie beschäftigt habe?
Ich habe schon einiges im Leben ausprobiert, u.a. auch etliche Jahre in Wald, Stall und Wiese, mit Pferden, Rindern, Axt und Kettensäge. Häkeln ist da wohl sehr anders, war meine erste Vorstellung. Na ja, das war schon korrekt: es war ruhig, leise, langsam, sehr konzentriert, aber auch superanstrengend… Am nächsten Morgen hatte ich so auch eine Gemeinsamkeit entdeckt: einen kernigen Muskelkater in beiden Schultern. Jawohl! Ich weiß nicht, bei welcher körperlichen Tätigkeit ich das letzte Mal so verkrampft gearbeitet habe. Ich konnte mein Gehirn förmlich knirschen hören, so anstrengend war es, all das Neue zu koordinieren und miteinander zu verbinden. Meine Synapsen schlugen förmlich um sich, wehrten sich mit aller Kraft gegen die Veränderung. Da war wohl in gut 50 Jahren einiges “verklumpt und eingefahren”.
Die erste Mütze hat gedauert, gedauert und gedauert… Eine Maschenrunde wieder aufzumachen wegen eines „Fehlers“ am Rundenbeginn war eine große Überwindung. Und so habe ich geübt, ausprobiert und gelernt. Nun bin ich bei Mütze Nummer 4 angelangt – sicherlich noch viel langsamer als die beiden jungen Unternehmensgründer und Häkler, aber doch wesentlich schneller als zu Beginn. Augenscheinlich haben sich meine Synapsen begonnen umzustellen; es entsteht Erfahrung und gelebte Veränderung. Ich denke, Basis dafür war u.a. meine Selbstführung und der Wille zum Durchhalten. Veränderung geht – auch und gerade jenseits meiner Vorstellung! Und ich habe von der jungen Generation wieder einmal etwas gelernt: Mit Freude geht die Arbeit leichter von der Hand, auch ohne fertigen Plan. Es macht mich ruhig und entschleunigt mich, wenn Stück für Stück eine Runde nach der Anderen entsteht. Und in meinem häkelkonzentrierten Gehirn entsteht dabei Raum und Offenheit für ganz neue Gedanken.
Ich war inzwischen mehrfach in Anzug und Krawatte mit Häkelsachen in der Flughafenlounge oder im Businessabteil der DB. Das braucht eine bewusste Überwindung, weil ich mich frage: “Was denken wohl die Anderen?”. Und tatsächlich: Oft streift mich ein Blick eines Businesskollegen und bleibt verwundert an mir hängen. Welche Gedanken gehen ihm wohl gerade durch den Kopf? Das fände ich spannend zu erfahren, vermutlich für beide Seiten. Interessant ist jedenfalls, dass bisher ausschließlich Frauen mit einer Frage auf mich zugekommen sind, und damit ein Gespräch entstand. Ich bin weiterhin offen – auch für Männer!
Mein Fazit: Ja, Business-Männer dürfen häkeln. Meinem Gehirn tut es ganz sicher gut. Wie wäre das für Sie? Als Mann?
Wow, ich staune! Ein gestandener Business Mann traut sich ans Mützen häkeln. Respekt! Vermutlich hätte auch ich erstmal interessiert beobachtet, was Du da tust. Ich finde es sehr mutig, dich nicht nur auf vermeintliches “Frauen-Terrain” zu wagen sondern dies auch noch in der Öffentlichkeit zu tun. Das gibt mir ein Gefühl dafür, wie aufgeschlossen Du neuen Dingen gegenüber bist und wie mutig Du dich auf völlig neues Terrain wagst, auch wenn Du dort erstmal recht einsam stehst.
Und Du hast nicht nur erfolgreich die Mütze gehäkelt und Dein eigenes Produkt in der Hand, Du hast auch noch die Schätze, die sich hinter dieser Handarbeit verbergen, geborgen. Ruhe, Entschleunigung, Konzentration. Ein kreativer Weg, um Zugang zu diesen kraftspendenden Zuständen zu erhalten. Ich hätte sehr gern im Zug das Gespräch mit Dir darüber eröffnet…
Ich weiß noch genau, wie ich bei Facebook das erst Mal über Dein Häkelabenteuer lesen konnte? Deine Offenheit neuen Dingen gegenüber bestaune ich schon lange. Aber das Du den Kampf mit den Häkelnadel aufgenommen hast, hat mich sprachlos gemacht. In meiner Phantasie habe ich mir schon meine eigene Boshi-Mütze kreiert.
Du hast mir meinen Wunsch erfüllt. Heute bin ich stolze Besitzerin einer pink,rot und orangefarbenen Boshi-Mütze. Wann immer ich mit ihr in Berührung komme, denke ich daran, wieviel Kilometer sie schon zurück gelegt hat. Hätte ich im Flieger auf dem Weg nach Afrika neben Dir gesessen und dich häkeln sehen – ich hätte dich auf jeden Fall angesprochen. Wir hätten bestimmt interessante Gespräche geführt.
Ich stelle mir gerade vor, wie vielleicht der Herr im Anzug in der Reihe vor uns, den Kopf schüttelt und der Herr links neben dir heimlich immer wieder rüber geschielt. Deine interessanten Antworten auf meine Fragen lassen sie langsam schmelzen. Kurz vor der Landung, nach einem langen Flug, (die Hälfte der Mütze ist bereis fertig ), sagt einer der Männer:\” Ich danke ihnen für ihre Offenheit. Jetzt kann ich meinen Sohn besser verstehen. Ich dachte schon, mit dem stimmt etwas nicht.\”
Fazit: Business-Männer dürfen häkeln. Sie häkeln Brücken zwischen Männer und Frauen, zwischen Söhnen und Vätern….
@Cordula: Durch deine Worte verändert sich meine eigene Wahrnehmung. So mutig fand ich mich gar nicht, ging es mir doch zuerst nur einmal darum auszuprobieren, wie dieses für mich so Neue geht. Im Licht deiner Worte spüre ich: Ja, das ist ungewöhnlich. Und ich kann die Schätze darin nochmals für mich nach Hause holen. Danke. Wer weiß, vielleicht treffen wir uns mal im Zug…
@Birgit-Rita: Stimmt, deine Mütze ist schon während der Entstehung weit gereist, und wie gerne hätte ich mit dir das persönliche Gespräch bereits da geführt. Ich bin ganz sicher, wir hätten Spaß gehabt, und unsere Nachbarn vermutlich auch.
Dein Fazit ist ein toller Gedanke, so deutlich habe ich das bisher gar nicht gesehen. Eine Häkelbrücke zwischen Generationen und Geschlechtern, die Verbindung und Verstehen entstehen lässt. Dafür lohnt sich die Anstrengung. Ja.
[…] einem Jahr habe ich meine 1te Mütze selbst gehäkelt und über die Erfahrungen dabei einen Beitrag geschrieben. Nach der 4ten Mütze war damals Schluss – Wolle, Nadel und Anleitung verschwanden in der […]
[…] bescheren mir diese Experimente immer wieder überraschende Einsichten. So begann vor Jahresfrist auch das Projekt „Häkeln und Businessmänner“.Eine Mütze, die vor einiger Zeit für eine […]